VLADO SPIRALT

 

Hier ein Text von Stan Lafleur. Er las diesen zum Vlados Spiralkanalprojekt an der Vernissage 2008 im Ruggeller KMH 

 

„Diese Rede wollte ich ursprünglich auf dem Computer meines Vaters, in Karlsruhe, auf dem Weg nach Liechtenstein niederschreiben, 


doch der Rechner, eines dieser hochgelobten Apple-Fabrikate verweigerte leider hartnäckig die Mitarbeit. Als fuhr ich mit dem Rad in den nahen Schwarzwald, um mit Blick ins Rheintal – also um fürstlich-liechtensteinische Landschaften zu antizipieren – die Musse zu finden, ein paar aufschlussreiche Sätze zu Vlados Spiralkanalaktionen in möglichst ordentliche Reihenfolge zu bringen. 

Da sass ich in den Hügeln, vereinzelte Spaziergänger schlichen vorüber, grüssten, unten im Tal raunte und grummelte die Autobahn, der Wald in meinem Rücken produzierte Vogelsang und sinistre Geräusche. Lange, lange her, dass ich einen Text, der zehn Zeilen wesentlich überschreitet, von Hand verfasst hatte. Ich sass da und horchte auf die umgebenden 

 

Geräusche, durchaus immer noch die Geräusche meiner Karlsruher Vorstadtkindheit und –jugend und doch seltsam zerdrängt im Raum-Zeit-Kontinuum.: das Schimpfen der Grasmücken, Pferdewiehern und Blätterfall, in mir keimte, von lose tastendem Willen zum Ausdruck befeuert, ganz allmählich eine Art Gedankenspirale, schon weil ich ahnte, dass diese Rede erst noch ihren Dreh werde finden müssen:

 

Um das Thema zu runden, nun, liesse sich kurzerhand sagen, dass Vlados Kanalgrabungen sich eigentlich recht leicht von selbst erschliessen lassen, sie bedürfen keiner allzu tiefschürfenden Erläuterungen, alles kreisförmige ist bekanntlich Lebenssymbol, spricht von den Windungen und eben: KreisLäufen des uns erfassbaren Daseins, ob jetzt Uroboros, Moebiusband oder sonstige Schlaufen, die Spirale wirkt in solcher Gesellschaft leicht nihilistisch-solitär, weil auslaufend, nicht erneut in sich selbst übergehend, aber einmal ans Drehen gebracht birgt sie, insbesondere ihre scheinbare Rückläufigkeit, locker alle üblichen Effekte von Meditation und Wirrung, sich dem Lebenssinn auf spirituelle Weise zu nähern.

 

Dennoch habe ich Vlado gefragt, was das eigentlich solle, mit seinen Spiralgrabungen, 2004 gestartet auf einem Symposium in Estland zum Thema Isolation. „Die Idee ist eigentlich nichts besonders Neues“, bestätigte Vlados selbst, er habe sich da eben mit so einer Spirale beworben, erstmals mit Land Art, also Kunst, die auf die Landschaft einwirkt, mit der Landschaft arbeitet, die Bedeutung seiner Arbeit habe sich ihm während des Prozesses aufgeschlossen: In Estland wurde in der Spiralkanalmitte, nachts im Wald, der Brief von Jakob Kaplan, ein Israeli aus Tel Aviv verlesen, der von seiner Isolation während des zweiten Weltkriegs berichtete. Und erst von diesem Symposium zurückgekehrt, wurde Vlado gewahr, dass bisher bald jedes zweite Motiv in seinem bildnerischen Werk Spiralform besass. „Aha“, sagte ich da. „Ja“, sagte Vlado. Das Spiralthema hatte Jahre gekreisst, in Estland wurde es, die Geburt überspringend, gleich zum Erwachsensein iniitiert.

 

Diese Spiralkanäle also verbinden alles, was Vlado bei seiner Arbeit wichtig erscheint: Menschen zu verbinden, eigenständige rituelle Orte zu schaffen, die mit dem Gang der Dinge von selbst wieder verschwinden, aber für ihr temporäres Dasein – und wer weiss, vielleicht sogar darüber hinaus – Energien freilegen, Bewusstheitszentren bilden oder schlicht solche für 

freilaufende Intuition. Sie können es selber hier in diesem schönen kleinen Garten dieser schönen Kultureinrichtung ausprobieren.

Weitere Kanäle grub Vlado, als gebürtiger Kroate, das ist bemerkenswert, in Serbien und Bosnien-Herzegowina, stets in Wassernähe, stets verbunden mit geopolitisch motivierten Gesten. Die lokale Bodenbeschaffenheit beispielsweise bestimmt die Grabungstiefe der Kanäle (Vlado hat Bodenproben mitgebracht), es geht alles völlig natürlich vonstatten, hier in Liechtenstein übrigens ua mithilfe eines gewaltigen Treckers, Kennzeichen FL 1166. Was sich ebenso symbolisch betrachten liesse wie der harte serbische Grund, den Vlado mit zwei lokalen Kollegen aushob, zu Schnaps und Erzählungen vom Krieg. Ein anderes typisches Moment sind die in die Kanalpräsentationen integrierten Zuarbeiten aus Vlados weitverzweigtem internationalen Kulturnetzwerk, zb Statements verschiedener Autoren oder Bildwerke von Künstlern nach Vlados Themenvorgaben. Und betrachten Sie die geografische Lage und Abfolge der bisherigen Grabungsorte, so erhalten Sie, das sollte Sie nicht überraschen, denn der Zufall sorgt für alles, und zur Not gegen sich selbst, vor, ebenfalls eine Spirale.

 

Jetzt kommt der Rhein ins Spiel. Als letzte Windung dieser Rede: als Autor, der immer in Städten längs des Flusses gelebt hat, ist er eines meiner grossen Themen. Ich schreibe über den Rhein, ich besuche ihn häufig, der Fluss flüstert nicht nur dem Dichter ins Ohr, er ist zugleich das Taufwasser für ganze Stammesmentalitäten, und eines Tages habe ich begonnen, ihn als Postweg für meine Lyrik zu nutzen, indem ich persönliche geleerte Weinbouteillen als Flaschenpostbehälter dem Strom überantwortete, pro Flasche ein Gedicht. Einige davon sind offenbar gegen den Strom geschwommen, mag ein übermässiges Auftreten der Corioliskraft dazu beigetragen haben, oder, wahrscheinlicher, ein sonderbarer Wirbel geistiger Ströme, sodass sie nun im Ruggeller Riet gestrandet sind. Hier sehen Sie also auch eine kleine Idee wandern und im neuen Kleid aufschillern und ich sage gerne, dass es mich ziemlich mit Freude und Stolz erfüllt, dass Vlados Regenbogenflaschen an meine Flaschenpostaktionen anknüpfen.

 

Mit Vlado hat Liechtenstein am jungen Rhein einen Künstler, der im Kleinen die Weltspirale immer wieder neu anstösst, sie wirbelt umher, kreuzt, elektronisch geladen, stets wachsende, vibrierende Netzwerke und setzt auf - und sich in - empfängliche Hirne im tropisch-borealen Korridor. Was Sie hier sehen, ist eine Kunst sowohl zum Innehalten, als auch zum Fröhlich-Sein, in diesem Sinne: Fühlen Sie sich frei und fühlen Sie sich wohl!"


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